Blog

28.06.2023

Wink mit dem Holzbein

Tillie Walden überzeugte mit der zunächst im Netz veröffentlichten queeren Science Fiction-Liebesgeschichte Auf einem Sonnenstrahl, dem Road-Comic West, West-Texas oder dem gezeichneten Entwicklungsroman Pirouetten. Nun hat Walden den Auftrag angenommen, eine Geschichte um eine Figur aus dem Universum der Serie The Walking Dead von Robert Kirkman zu entwickeln: Das Mädchen Clementine ist die Hauptfigur eines Computerspiels zur Serie. Sie verliert ihre Eltern in der Zombie-Apokalypse, wird von einem Mann namens Lee in Obhut genommen und bleibt, nachdem auch der von Zombies gebissen wird, alleine zurück.

Auf den ersten Seiten von Tillie Waldens Comic Clementine 1 (die Serie ist auf drei Teile angelegt) stapft eine junge Frau mit finster-entschlossenem Blick mi Hilfe hölzerner Krücken durch einen Wald. Vor schwarzen Schatten heben sich helle Baumstümpfe ab, aus dem Unterholz krauchen hier und da zerrupfte untote Gestalten (denen Clementine umgehend eine Krücke über den Schädel zieht oder ein Messer ins fratzenhafte Gesicht jagt). (Hier gibt es eine Leseprobe auf der Seite des Verlags.)

Clementine ist mittlerweile 17 Jahre alt und auf dem Weg durch postapokalyptische Gegenden der USA nach Norden. In gelegentlichen Flashbacks oder Träumen - grafisch kenntlich gemacht durch eine Art "Wolke" - tauchen das kleine Mädchen Clementine und ihr Beschützer Lee auf, so dass auch Leser*innen ohne Bezug zu The Walking Dead in etwa ins Bild gesetzt werden.

Sehr schnell kommt sie nicht voran, denn unterhalb ihres linken Knies ist ein zusammengeschustertes Holzbein angebracht - das schließlich auch noch kaputtgeht. Unterwegs erhält Clementine nicht nur eine neue, bessere Prothese, sondern lernt auch den jungen Amos aus einem Amish-Clan kennen, der ebenfalls Richtung Norden will.

Die beiden tun sich zusammen und landen schließlich bei einem verlassenen Ski-Resort, das die Zwillingsschwestern Georgia und Olivia und eine junge Frau namens Ricca als Zombie-freie Zuflucht wiederaufbauen wollen. Es bildet sich eine beklemmende Zweckgemeinschaft voll versteckter Bündnisse, gefährlicher Intrigen und Familiengeheimnisse, die von einer Katastrophe in die nächste schlittert.

Tillie Walden erzählt in Schwarzweiß und Grauschattierungen, in kleinteiligen Zeichnungen und schräggestellten oder ineinandergeschobenen Panels, in denen es öfter mal schwer fällt, den Überblick zu behalten, Handlungen nachzuvollziehen oder die Personen von einander zu unterscheiden. Die Figuren bleiben oberflächlich-undurchschaubar. Die Lust auf die Fortsetzung hält sich in Grenzen.

Tillie Walden: Clementine 1, 256 S., Cross Cult, 26 EUR.

Abbildung aus Clementine 1 von Tillie Walden, © Cross Cult/Tillie Walden
Dieser Text ist erschienen im Comicmagazin STRAPAZIN, Ausgabe 151