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© Abbildung aus "Wie ich versuchte, ein guter Mensch zu sein" von Ulli Lust, Suhrkamp Verlag
03.09.2017

Amour fou in rosa

Acht Jahre nach ihrem autobiographischen Comic Heute ist der letzte Tag vom Rest deines Lebens erzählt die 1967 in Wien geborene Zeichnerin Ulli Lust ihre bewegte Geschichte weiter. Wie ich versuchte, ein guter Mensch zu sein setzt sechs Jahre nach der Rückkehr der Ausreißerin ein und zeigt Ulli Lusts Können im Comic-Erzählen.

Ulli ist mittlerweile 23, lebt in Wien und besucht an den Wochenenden ihren kleinen Sohn, der bei ihren Eltern aufwächst, und ist liiert mit dem älteren Georg. Aber während die 17-jährige Punkerin Ulli im schwarz und olivgrün gehaltenen Heute ist der letzte Tag… Sex noch als notwendiges Beiwerk oder – schlimmer – in Form vom Gewalt erlebte, verspürt sie nun auf den rosa kolorierten Seiten eine Lust, die sie mit Georg nicht zu stillen vermag.

Mit seiner Billigung sucht sich Ulli einen Liebhaber und beginnt mit dem Afrikaner Kimata eine obsessive Affäre. Doch dieser verhält sich – nachdem Ulli ihn wegen seiner Aufenthaltsgenehmigung geheiratet hat – zunehmend eifersüchtig und gewalttätig. Lust schildert diese amour fou grafisch explizit, dabei verspielt, manchmal ranken sich die verschlungenen Körper wie Ornamente über eine ganze Seite, umringt von Wolken oder zwitschernden Vögeln.

Ulli Lust versteht sich auf die Sprache der Comics: Ihre Ich-Erzählerin kommentiert, wo nötig, ansonsten spielt sich die Handlung in Bildern und Dialogen ab, akzentuiert von Soundwörtern, Schriftformen und -größen und unterschiedlich gestalteten Sprechblasen. Zwischen Passagen mit kleinen Kästchen setzen Seiten mit großen Bildern Ruhepole.

Während die Figuren teilweise etwas „krude“ gezeichnet sind, wie ein Kollege es ausdrückte, zeigt sich vor allem in Straßenszenen Lusts Blick für Details des Alltäglichen. Wie etwa in der letzten Zeichnung im Buch, auf der die Erzählerin über eine Berliner Fußgängerbrücke geht, auf ein mit Graffiti bemaltes Haus zu, während rechts und links in Bäumen die Spatzen ihre Noten piepen. [B.B.]

Ulli Lust: Wie ich versuchte, ein guter Mensch zu sein, 367 S., Suhrkamp Verlag, 25 EUR.

© Abbildung aus „Wie ich versuchte, ein guter Mensch zu sein“ von Ulli Lust, Suhrkamp Verlag
Dieser Text ist erschienen im Bonner Stadtmagazin Schnüss, Ausgabe 10/2017