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Abbildung aus "Weites Land" von Catherine Meurisse, © Catherine Meurisser / Carlsen 2019
12.05.2019

Zeichnen öffnet Türen

Die Schönheit rettet Catherine Meurisse und bringt sie zurück zum Zeichnen. Mit dieser Erkenntnis endete der Comic Die Leichtigkeit, in dem Meurisse das Attentat auf die Charlie Hebdo-Redaktion verarbeitete, dem sie selbst nur durch einen Zufall entgangen war.

In ihrem neuen Comic Weites Land schafft Meurisse per Zeichnung Passagen durch Raum und Zeit: Eine mit drei Linien auf die graublaue Wand gemalte Tür führt aus einer Pariser Wohnung direkt in ein Sonnenblumenfeld; Catherine Meurisses gezeichnetes Alter Ego tritt hindurch, geradewegs ins gelbe Blütenmeer, aus dem sie schließlich als kleines Mädchen herauskommt.

Meurisse lässt ihre Kindheit auf dem Land Revue passieren, in den schönsten Farben des Sommers (dank Koloristin Isabelle Merlet) und mit eben der Leichtigkeit, um deren Wiedererlangung sie in ihrem vorigen Buch kämpfte.

Die Eltern von Catherine und ihrer Schwester richten einen verfallenen Hof auf dem Lande in Eigenregie wieder her, pflanzen Bäume und legen Gärten an und erziehen die Kinder zu kunstsinnigen, philosophisch versierten und dabei handfesten Geschöpfen, die mit Marcel Proust auf Du und Du sind und gleichzeitig voll Vorfreude auf Blutwurst beim Schlachten eines Schweins zusehen.

Die Figuren sind in einem lockeren Funny-Stil gezeichnet, der gut zu den phantastisch-humorvollen Einsprengseln passt, die wiederum genau richtig mit der Kindheitsidylle brechen. Die dicken Natursteinmauern hingegen, die Blumen, Bäume und Felder sind naturalistischer gezeichnet, in warmen Ockertönen, sattem Grün, zartem Violett oder Orange. Es ist ein Paradies, in dem Catherine aufwächst, auch wenn äußere Einflüsse daran kratzen; sie fürchtet sich, es zu verlassen, was ihr dann aber doch den Mut dazu gibt – ist das Zeichnen. [B.B.]

Catherine Meurisse: Weites Land, ÜS: Ulrich Pröfrock, Carlsen, 96 S., 18,50 EUR.

Abbildung aus Weites Land von Catherine Meurisse, © Catherine Meurisse / Carlsen 2019

Dieser Text ist erschienen im Bonner Stadtmagazin Schnüss, Ausgabe 04/2019